Wir leben in der freiesten, offensten, tolerantesten Staatsform der Welt. Das ist für mich ein unermesslich großer Wert, den man nicht hoch genug einschätzen kann. Es beunruhigt mich zutiefst, dass es zunehmend Menschen gibt, die diesen ur-menschlichen Ansatz, diese allergrößte Errungenschaft in Frage stellen. Gerade in einem Land – ich sage bewusst nicht: Nation – das so elementar von Frei-Geistern wie Beethoven, Goethe, Schiller, Heine, Mahler geprägt ist, ist es doch eine so große Beglückung und Chance, dass so viele Menschen verschiedenster Abstammung, Herkunft oder Einstellung in friedlichster Koexistenz miteinander die Welt gestalten. Ich bin neu in Freiberg. Und ich erlebe diese kleine Stadt als sehr entspannt, unverkrampft, weltoffen. Besonders auch durch die Uni oder das Theater, an dem ich arbeite. Was wäre ein Theater ohne weltumspannende Internationalität? Was wären wir ohne unsere koreanischen, kroatischen, argentinischen, brasilianischen KollegInnen? Das ist für uns Künstler Normalität – wobei ich mich frage: warum muss ich diese Normalität überhaupt erwähnen?
Das großartige Europa ist eine Region der Freiheit. Freiheit – das heißt für mich: es gibt keine „fremden“ Mitmenschen, nur „freie“ Mitmenschen. Freiheit – das ist das freie Leben, das keine Unterschiede macht zwischen Herkunft, Hautfarbe, Weltsicht, Religion usw. Und das passt nach meiner noch neuen Wahrnehmung genau zu dieser so sympathischen und offenen Kleinstadt.
Jörg Pitschmann