An dieser Stelle findet ihr nun noch die Berichte unser ersten Begegnungsmärkte in den Jahren 2019 und 2020:
Am 12. Dezember 2019 fand der erste Begegnungsmarkt in Freiberg statt. Anbei ein paar persönliche Eindrücke:
Beim Begegnungsmarkt, den der Verein Frühlingserwachen e.V.entwickelt hat, geht es um wertfreien Dialog und das gegenseitige Zuhören, ohne sofort die eigene Meinung zu äußern oder zu widersprechen. Da das oft gar nicht so einfach ist, weil jeder Mensch seine eigene Meinung hat und die natürlich auch haben soll, haben die Teilnehmenden extra ein auf dieses Konzept ausgelegtes Kommunikationstraining gemacht.
Dieses soll helfen, sich in sein Gegenüber hineinzuversetzen, um Dinge aus einer anderen Perspektive zu sehen, aber auch Tipps geben, wie man die Vorbeilaufenden anspricht und auf das Angebot aufmerksam macht.
Eine Teilnehmerin erzählte beispielsweise:
“Ich sprach mit einer Dame, die sagte, sie würde am liebsten aus ökologischen Gründen gar kein Auto besitzen, aber dann wäre sie fast gar nicht mehr mobil, da sie in einem kleinen Dorf bei Freiberg lebt, wo Busse nur selten fahren. Wir haben dann gemeinsam überlegt, wie man eine private Mitfahrbörse gestalten könnte.”
Ein anderer Teilnehmer erzählte:
“Mein Gesprächspartner und ich kamen recht schnell auf das Thema Politik. Er sagte, er glaube mittlerweile, dass das Ergebnis der Landtagswahl gefälscht wurde, denn er kennt nur Menschen, die die AfD gewählt haben und das müsste sich doch viel deutlicher in Zahlen niederschlagen. Ich erwiderte: ‘Oh, spannend, ich kenne nur Menschen, die nicht die AfD gewählt haben und ich wohne auch in Sachsen!’ Da musste er doch ein wenig schmunzeln und wir haben uns noch ein wenig über Wahlprogramme unterhalten und darüber, was wir uns jeweils von den verschiedenen Parteien erhoffen.”
Andere berichteten, dass sie hauptsächlich freundlichen Smalltalk geführt haben, das aber ebenfalls als nett und bereichernd empfanden.
Ein Besucher ließ sich ausführlich das Konzept erzählen und sagte dann begeistert: “Mensch, das ist ja toll, so eine einfache Möglichkeit, mit fremden Menschen mit völlig anderer Meinung ins Gespräch zu kommen! Ich habe mich schon oft gefragt, wenn ich auf einer Demo mit Gegendemo war und sich alle nur gegenseitig angeschrieen haben; wie kann man denn diese hochgekochte Stimmung runterfahren und sich erst einmal in Ruhe auf einer sachlicheren Ebene austauschen? Tolle Sache!”
Wir setzen viel Hoffnung in dieses Gesprächsformat und sind der Meinung, dass das viel mehr bringt, als sich Diskussionen in den Sozialen Netzwerken zu liefern, wo das Fehlen von Tonfall oder Mimik oft zu Missverständnissen führt und man sich irgendwann in einer Eskalationsspirale wiederfindet, ohne wirklich auf sein Gegenüber einzugehen oder sich verstanden zu fühlen.
Am 16. Januar 2020 fand der zweite Begegnungsmarkt in Freiberg statt.
Wir waren mit einem Pavillon mit Sitzgelegenheiten, Kaffee, Tee und Keksen auf dem Wochenmarkt, um den Menschen aus Freiberg und der Region am Rande ihres Einkaufsbummels die Möglichkeit zu geben, ins Gespräch zu kommen und sich austauschen.
Die Aktion war wieder sehr schön und es fanden viele bereichernde Begegnungen statt. Auch das Wetter war diesmal auf unserer Seite – sicher auch ein Grund dafür, dass viele Leute sich Zeit nahmen, auch für längere Gespräche.
Was uns positiv aufgefallen ist: Wie intensiv sich alle, mit denen wir gesprochen haben, mit unserer Gesellschaft und unserer Zeit auseinandersetzen. Niemand war dabei, der keine Meinung gehabt oder irgendwie den Eindruck gemacht hätte, ihn betreffe das alles nicht. Nur so kann eine lebendige Stadtgesellschaft bestehen und sich weiterentwickeln! Auch sagten viele, dass sie die Idee des Begegnungsmarkts gut finden und sich freuen, dass wir uns so für die Stadt und ein gutes Miteinander einsetzen. Viele freuten sich einfach, dass sie sich kurz setzen konnten und jemandem zum Reden hatten, der zuhörte. Der Bedarf, mal frei von der Leber weg seinen Frust erzählen zu können, ist ganz offensichtlich groß. Die Themen reichten von der zu engen Straße über die Pflegesituation bis zur Kriminalität.
Ein Besucher erzählte von seinem Kollegenkreis: Der Großteil wähle rechts, er selbst vertrete aber ganz andere politische Werte. Über die meisten Themen könne man sich gut miteinander austauschen, nur die Politik sparen sie mittlerweile lieber aus. Eigentlich würde er ganz gerne ab und zu darüber diskutieren, das sei aber nicht möglich, da er für seine Meinung ausgelacht werde.
Auf die Frage hin, was ihm an Freiberg besonders gut gefalle, antwortete ein anderer Besucher: „Eigentlich alles, außer die vielen Ausländer, die müssten wieder weg.“ Er begründete diese Aussage aber nicht mit eigenen Erfahrungen, sondern sagte einfach, das sei so. Man sah ihm gesundheitliche Probleme an und auf den Einwand, dass die Krankenhäuser zusammenbrechen würden, wenn dort nicht sehr viele ausländische Menschen arbeiten würden, lenkte er dann auch ein und gab zu, dass dort der Betrieb wohl wirklich nicht aufrechtzuerhalten sei.
Aber auch Positives kam zu Sprache: Eine Besucherin erzählte, dass sie ab und zu mit dem Bus aus dem Umland nach Freiberg fährt und sehr dankbar ist, dass dieser Bus stündlich kommt. In ihrem Dorf gebe es leider kaum noch Einkaufsmöglichkeiten und auch das letzte Restaurant habe vor ein paar Jahren geschlossen. So sei sie sehr glücklich über die Möglichkeit, nach Freiberg zu kommen und dort alle Wege zu erledigen.
Was wir für uns außerdem festhalten, ist der große Respekt und die Bewunderung, die wir für die Marktleute haben, die sich jede Woche und bei jedem Wetter auf den Wochenmarkt stellen. Das ist wirklich bemerkenswert und eine Arbeit, die nicht jeder machen möchte, über die aber alle Wochenmarkteinkäufer froh sind.
Wir freuen uns auf viele weitere Begegnungen!