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„Medien sind Hirnfutter – sie machen etwas in unseren Köpfen!“

Durch die Logik der sozialen Medien und dem dahinterstehenden Geschäftsmodell wird die Demokratie zunehmend untergraben. Was können wir dagegen tun? Dieser komplexen Frage gingen Petra Gerster und Christian Nürnberger im gut gefüllten Audimax nach. Sie skizzierten die Entwicklung der Abkehr von den klassischen Medien und der Demokratie in den USA und beleuchteten Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu Europa und Deutschland. Weltweit gelten die sozialen Medien inzwischen als fünfte Gewalt, die eigene Öffentlichkeiten generiert und aktiv, aber verborgen, Einfluss auf die Meinungsbildung von Bürgern nimmt. Und immer öfter, so die beiden Referenten, schaue man beim Blick in die Feeds der sozialen Medien in die „alte Fratze des Faschismus“. Der Teufelskreis der immer wiederkehrenden Erregungsspiralen in den sozialen Medien im Zusammenspiel mit deren Algorithmen zur Traffic-Generierung wurde anschaulich dargestellt. 

Aber was kann der Einzelne dagegen tun? Jeder sollte sich seiner Verantwortung bewusst sein und Inhalte mit Bedacht verbreiten, im Zweifelsfall Faktencheck-Portale wie Mimikama oder das von CORRECTIV nutzen. Nürnberger dazu: „Medien sind Hirnfutter – sie machen etwas in unseren Köpfen!“ Aber nicht nur die Verantwortung Einzelner wurde thematisiert. Die Ebene gesetzlicher Regulierung, die in Europa mit dem Digital Services Act (DSA) und dem Digital Markets Act (DMA) zwar weltweit vorbildlich sind, aber bei Weitem noch nicht genug umgesetzt und angewendet werden, wurde ebenfalls angerissen.

Richtig spannend wurde es in der Diskussion mit Dr. Sabine Schellbach, Dezernentin Universitätskommunikation der TU Bergakademie Freiberg, und der Pressesprecherin Doris Kohte. Gerade die Hochschulen stehen derzeit vor der Frage, ob sie beispielsweise bei X – früher Twitter – bleiben. Aus dem Publikum kam der Vorschlag, dass die Hochschulen selbst in den sozialen Medien aggressiver und damit sichtbarer gegen Fake News vorgehen sollten. Sollte man Facebook und Instagram verlassen, weil in den USA der Faktencheck abgeschafft wurde? Ein Argument dagegen ist, dass Falschaussagen dann nicht mehr widersprochen werden kann. Eine Expertin (1) aus dem Publikum plädierte hingegen für den Ausstieg, um die Erregungsspirale zu unterbrechen: nur wenn die Trolle noch jemanden finden, der sich über Desinformation ärgert, entsteht neuer Traffic und die Geschäftsmodelle der kommerziellen Ablenkungsmaschinen laufen weiter. Immer wieder wurde auf Alternativen wie Bluesky oder Mastodon aus dem Fediverse – dem Zusammenschluss dezentraler nicht-kommerzieller sozialer Netzwerke – hingewiesen. Hier wurde im Publikum großes Potential gesehen, Europa unabhängiger von amerikanischen Plattformen zu machen und den Zugang zu Informationen nicht mehr davon abhängig zu machen, ob man bei einer der großen Plattform ein Konto hat. Auch die Rolle der linearen Medien (TV, Radio, Zeitung), ihr Umgang mit Falschaussagen in Interviews oder die Auswahlpraxis in Talkshows wurde kontrovers diskutiert.

Mit der offenen und hoffnungsvollen Frage, ob sich Pöbeln, Hass und Hetze vielleicht irgendwann abnutzen, endete die spannende Veranstaltung.

Alle Bücher vom Büchertisch (Petra Gerster und Christian Nürnberger, Ilko-Sascha Kowalczuk, Der Graslutscher, u.v.m.) gibt es bei unserem Partner der Veranstaltunsreihe, der Akademische Buchhandlung Freiberg.

(1) Anja Obermüller von https://dresdner-forschungswerk.de/