Seit ich denken kann, war ich anders. Nicht äußerlich, was ein Problem war, man sah mir meine Andersartigkeit auf den ersten Blick nie an. Erst wenn man mich näher kennt, fällt sie auf. Allerdings ist es für andere oft gar nicht so einfach, mich kennenzulernen. Ich habe eine Autismus- Spektrum-Störung und weiß das seit der Grundschulzeit. Seither hatte dieses bloße „Anders“ einen Namen und damit eine Erklärung.
Es gibt viele Namen für das Anderssein. Man kann schließlich in vielerlei Hinsicht anders als die Mehrheit sein. Andere Hautfarben, andere Altersstufen, andere Vermögensklassen, andere Fähigkeiten, andere Arten, die Welt wahrzunehmen, wovon mein Autismus ein extremeres Beispiel ist.
Doch mein Anderssein ist nicht schlecht. Es ist sogar etwas Gutes, und das war das, was ich zum Glück über die Jahre lernen durfte. Ich war immer ein Nagel, der schief herausstand. Doch mit dem Wissen um die Andersartigkeit und dem Versuch und manchmal auch Kampf, damit umzugehen, wird ein Nagel wie ich nicht mit Gewalt eingeschlagen.
Das, aus meiner ganz eigenen Erfahrung, bedeuten für mich die Demokratie und die Freiheitsrechte, die uns allen zustehen. Man darf nicht einfach mit Gewalt in ein Muster gezwängt werden, und wehe, du weichst ab, selbst wenn du es aus verständlichen Gründen oder sogar Gründen deiner Biologie nicht verhindern kannst. Vielmehr können doch die vielen verschiedenen Menschen mit all ihren Ecken und Kanten zusammenleben und voneinander lernen. Was natürlich nicht immer einfach ist. Es gibt viele Reibereien im Leben. Überall sind Konflikte zu finden, doch ich denke, sie sind am Ende auch nur „ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft“. Dieses Zitat aus Goethes Faust trifft es für mich wie die Faust aufs Auge. Konflikte gehören zum Leben dazu. Ohne sie wäre es bequemer, aber Fortschritt wäre nicht möglich, wenn nur Bequemlichkeit vorherrschen würde. Für mich ist das Leben nie bequem gewesen. Meine Welt ist ein lauter Ort voller Menschen, die oft sinnloses Zeug reden und sich kaum voneinander unterscheiden. Aber ich weiß, dass es nur Schein ist.
Menschen sind verschieden, und um in Freiberg, dieser schönen kleinen Stadt, in die es mich zum Studieren gezogen hat, aber auch anderswo so verschieden leben zu können, wie wir sind, brauchen wir Verstand, Toleranz, den Willen, aus unserer Bequemlichkeit herauszukommen und am allermeisten den stetigen Willen zu einem friedlichen Miteinander.
Alina Wagner
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