FFA

Freiberg Für Alle hakt nach – Part 5

Erwiderung zum Video von Barbara Spohrer vom 24.9.2021 „Freiheit gegen Gesundheit? Gesundheit gegen Freiheit? Vermeintliche Gesundheit und Sicherheit gegen Freiheit?“

Freiberg für Alle bezieht Stellung zum Video von Frau Dr. Spohrer, welches unter folgendem Link abrufbar ist:

https://www.youtube.com/watch?v=1olGYSg7A9M

0:36                       „Ich als Arzneimittelfachfrau und als Apothekerin …“

0:48                       „Aufgabe Aufklärung für Arzneimittel, über Arzneimittel Nebenwirkungen, Wechselwirkungen etc.“

Ein nobles Ziel. Leider wird das YouTube-Video diesem Anspruch nicht gerecht.

1: 31 – 1:33        „Aber es gibt immer weitere Beschränkungen: G3, G2, G1.“

„G1“ spielt in der politischen Diskussion und in seriösen Medien keine Rolle. Es ist offenbar eine Erfindung von Frau Dr. Spohrer oder von fragwürdigen Internet-Foren.

1:33 – 1:44          „Es gibt, ja, ich würde sagen schon, leichte Nötigungen am Arbeitsplatz, vielleicht auch schwerwiegende Nötigungen. Das kann ich so nicht beurteilen.“

Tatsache ist, dass Beschäftigte Ihrem Arbeitgeber in der Regel nicht mitteilen müssen, ob sie geimpft sind oder nicht. Allerdings wurde mit der jüngsten Änderung des Infektionsschutzgesetzes ab 7.9.2021 eine Regelung eingeführt, die Beschäftigte in Schulen, Kitas, Pflegeheimen und Behinderteneinrichtungen, also letztlich eine klar begrenzte Gruppe von Beschäftigten, in der Tat verpflichtet, ihrem jeweiligen Arbeitgeber über ihren Impfstatus Auskunft zu geben. Und dies sind Gruppen von Beschäftigten mit besonders intensiven Kontakten zu anderen, speziell auch weniger geschützten Menschen. Für die große Mehrzahl der Beschäftigten kann überhaupt keine Rede von „Nötigung“ sein, weder „leichter“, noch gar „schwerwiegender“.

1:46 – 1:52          „Aber es kann vorkommen, dass wirklich Menschen … erheblich in ihrer Möglichkeit Geld zu verdienen eingeschränkt werden.“

  1. In der Tat haben die „Lockdown“-Maßnahmen in weiten Bereichen der Wirtschaft zu erheblichen Verlusten geführt. Dabei wurden Selbstständige getroffen, aber auch Personen in Kurzarbeit, wenn der jeweilige Arbeitgeber das Kurzarbeitergeld nicht aufgestockt hat. Da lange Zeit keine Impfstoffe verfügbar waren, war die Reduzierung der Kontakte unausweichlich, wenn man nicht zahllose Tote in Kauf nehmen wollte.
  2. Angesichts der jetzt in Deutschland reichlich verfügbaren Impfstoffe kommt es zu wirtschaftlichen Verlusten vor allem durch Quarantäne-Maßnahmen. Und die sind leider immer wieder nötig, weil zu wenig Personen geimpft sind. Die Impfgegner und Impfverweigerer sind es, die jetzt dafür verantwortlich zu machen sind, dass Menschen in ihrer Möglichkeit Geld zu verdienen eingeschränkt sind.

1:53 – 2:13          „Wie kann es passieren, dass der Staat, der immer gesagt hat, dass die Kinder nicht gefährdet sind, jetzt auf einmal Kinder impfen möchte? Wo wir ja wissen, wie ich letztes Mal gesagt hab, die Kindersterblichkeit unter 0,00002% liegt.“

  1. Wer ist in diesem Satz „der Staat“, der das gesagt hat? Eine Demokratie hat glücklicherweise viele Stimmen, und insofern kann man gar nicht erwarten, dass immer alle das Gleiche sagen.
  2. Haben die in Frage kommenden Staatsvertreter (z.B. Bundeskanzlerin oder Gesundheitsminister) tatsächlich behauptet, dass Kinder überhaupt nicht gefährdet seien? Hier wäre eine Angabe, wer das wann gesagt haben soll, angemessen.
  3. Sicher aber ist die unmittelbare Gefährdung von Kindern durch Covid-19 relativ gering. Bis Ende März starben 11 Kinder oder Jugendliche von 385.022 Infizierten (Aerzteblatt 20.4.2021), entsprechend 0,003% („nur“ 150-fach mehr als von Frau Dr. Spohrer angegeben). (Die geplante und vorzeitig ins Netz gestellte Publikation von Martin et al., in der der Wert von 0,00002% auftaucht, ist offensichtlich bisher nicht ordentlich publiziert. Womöglich im Peer-Review-Verfahren abgelehnt?) Allerdings sind der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie in Deutschland bis zum 3.10.2021 immerhin 425 Fälle von Pediatric Inflammatory Multisystem Syndrome (PIMS) oder Multisystem Inflammatory Syndrome in Children (MIS-C) gemeldet worden (https://dgpi.de/pims-survey-update/). Nur auf die Kindersterblichkeit abzuzielen, wird der Situation in keiner Weise gerecht.
  4. Kinder sind zwar nicht die großen Treiber der Pandemie, aber sie tragen eindeutig zur Verbreitung des Virus bei (RKI, Epidemiologischer Steckbrief zu SARS-CoV-2 und COVID-19, Stand: 14.7.2021; Jones et al. 2021, Science 373: 6551, DOI: 10.1126/science.abi5273). Insofern ist es über den Schutz der Kinder hinaus auch aus epidemiologischer Sicht positiv zu sehen, wenn viele Kinder geimpft sind.

2:14 – 2:17          „Und man inzwischen weiß, dass die Impfung für die Kinder gefährlicher ist, als selbst an Corona zu erkranken?“

Dies ist sachlich falsch. Am 18.8.2021 hat die Ständige Impfkommission (STIKO), ein Gremium unabhängiger Experten, entschieden, dass auch für Kinder zwischen 12 und 15 Jahren die Impfung eher positive als negative Auswirkungen hat (RKI, Epidemiologisches Bulletin 33/2021 vom 19.8.2021). Die sächsische Impfkommission hat übrigens eine ähnliche Entscheidung schon am 1.8.2021 getroffen (https://www.slaek.de/de/03/36impfen/siko.php?switchtoversion=www). Die STIKO hat sich ihre Entscheidung auch wirklich nicht leicht gemacht, insbesondere auch angesichts von durchaus vorhandenem politischem Druck. Für jüngere Kinder als 12 Jahre liegt noch keine Entscheidung eines unabhängigen Gremiums vor, da es für Kinder unter 12 Jahren für die Europäische Union noch keinen Zulassungsantrag gibt, insofern auch keine Entscheidung. Nach Ergebnissen der durchgeführten klinischen Studie sieht es so aus, als ob auch für Kinder zwischen 5 und 12 Jahren die Impfung mit dem mRNA-Impfstoff von BioNTech/Pfizer sich positiv auswirkt (Pharmazeut. Zeitung 20.9.2021).

2:18 – 2:47          „Wie kann es sein, dass nach wie vor die Lüge aufrechterhalten wird, dass man sich an asymptomatischen Menschen infizieren kann, also an Menschen, die keine Infektion haben, die keine Symptome haben?“ Die Wahrscheinlichkeit, dass das passiert, ja, die ist 0,01%. Aber das ist so minimal, weil Sie einfach als nicht Symptome habender Mensch einfach zu wenig Viren haben um ansteckend zu sein.“

  1. Hier setzt Frau Dr. Spohrer das Vorliegen einer „Infektion“ gleich mit dem Auftreten von Symptomen. Das ist sachlich grob falsch, denn häufig liegt zwischen der Infektion und dem Auftreten von Symptomen eine gewisse Zeitspanne, die je nach Krankheit zwischen Stunden und Monaten liegen kann. Das mögliche Vorliegen einer Inkubationszeit, also der Zeit zwischen Infektion und dem Auftreten von Symptomen, ist in der medizinischen Mikrobiologie seit Jahrzehnten eine Selbstverständlichkeit und könnte auch einer Pharmazeutin bekannt sein.
  2. Dass mit SARS-CoV-2 infizierte Personen schon vor dem Auftreten von Symptomen infektiös sein können, ist seit Langem klar belegt (Walsh et al. 2020 Journal of Infection 81: 357–371, DOI: 10.1016/j.jinf.2020.06.067; Jones et al. 2021, Science 373: 6551, DOI: 10.1126/science.abi5273 sowie darin zitierte Arbeiten; Sun et al. 2021, Science 371: 254, DOI: 10.1126/science.abe2424). Dies ist einer der Gründe, warum sich Covid-19 so rasch verbreitet.
  3. Zwar gibt es durchaus einen Zusammenhang zwischen der Stärke von Symptomen und der Viruslast (Jones et al. 2021, siehe oben). Aber daraus abzuleiten, dass nur Menschen mit Symptomen infektiös sein können, ist ganz einfach nicht möglich. Wie Frau Dr. Spohrer auf die 0,01% Wahrscheinlichkeit kommt, bleibt offen. Da sich Ansteckungssituationen drastisch unterscheiden können, ist die Angabe einer allgemeinen Wahrscheinlichkeit höchst fragwürdig.
  4. Wenn man Gegner in einer Sachfrage der „Lüge“ bezichtigt, sollte man wissenschaftlich fundierte Quellen benennen, die die eigene These stützen. Hierauf verzichtet Frau Dr. Spohrer vollständig.

3:11 – 3:18          „Wir müssen uns nur fragen, inwieweit sind die Maßnahmen dazu im Verhältnis und gerechtfertigt.“

Die ursprüngliche Variante von SARS-CoV-2 hatte eine Verdopplungszeit von etwa 3 Tagen und bei der Altersstruktur der deutschen Bevölkerung eine Letalität von etwa 1% (Levin et al. 2020. European Journal of Epidemiology 35: 1123–1138, DOI: 0.1007/s10654-020-00698-1; Coronavirus Update Folge 58, 29.9.2020). Man konnte spätestens im März 2020 ausrechnen, was ohne drastische Maßnahmen passieren würde. Es war einfach auszurechnen, dass nach wenigen Monaten das Gesundheitssystem völlig zusammenbrechen würde. Die „Durchseuchung“ der Bevölkerung hätte bei ca. 80 Millionen Menschen und einer Letalität von 1% etwa 800.000 Tote gefordert. Zurzeit sind es 94.000 Menschen, die in Deutschland SARS-CoV-2-positiv gestorben sind. Dass die später aufgetretenen Varianten alpha und delta noch aggressiver sind, ist bei der Rechnung noch nicht berücksichtigt. Stellt sich bei dem Vergleich wirklich noch eine Frage nach der Rechtfertigung der Maßnahmen? Dass das Schlimmste ausgeblieben ist, liegt an den Maßnahmen. Wer aus der noch einigermaßen kontrollierten Situation schließt, das Ganze sei doch halb so schlimm, unterliegt dem lange bekannten Präventionsparadoxon. (Wenn man wirksame Vorsorge betreibt, scheinen die Maßnahmen im Nachhinein zwangsläufig als übertrieben.)

3:21 – 4:07          „Wie sieht es denn aus, und das ist jetzt eine Frage auch an Sie: In unserer Gesellschaft mit unserer Freiheit, Sicherheit und Gesundheit: Zur Freiheit wissen wir alle, dass in letzten Monaten, im letzten anderthalb Jahr sehr, sehr viele Gesetzesänderungen durchgeführt wurden, zum Teil auch ganz versteckt, also mit dem Infektionsschutzgesetz und mit den Grundgesetzeinschränkungen etc. Darüber sind wir uns alle bewusst. Allerdings denke ich, nur vereinzelt spüren wir die Folgen davon. Also, normale Menschen haben durch diese Einschränkungen und durch diese Veränderungen noch kein Nachteil erfahren müssen.“

  1. Die Änderung des Infektionsschutzgesetzes und die Einschränkungen der Grundrechte wurden wochenlang breit in allen möglichen Medien diskutiert. Hier davon zu sprechen, dass das „ganz versteckt“ gewesen sei, ist völlig abwegig und versucht, die politisch Verantwortlichen zu diskreditieren.
  2. Ein Verstecken der Änderungen und Einschränkungen wäre zudem höchst unlogisch. Die Regelungen sollten ja eine Verhaltensänderung bei der breiten Bevölkerung herbeiführen. Was helfen dann Änderungen, die ich verstecke?

4:08 – 4:40          „Der zweite Punkt ist die Gesundheit: Bei der Gesundheit ist es nun so, dass wir durch die Medien, egal welche, Fernsehen, Presse, Zeitungen, Illustrierten, immer wieder seit anderthalb Jahren nur hören: Gefahr. Es ist gefährlich. Die Erkrankung wird Menschenleben fordern. Millionen. Wir werden … Die Krankenhäuser, die Intensivstationen (werden) total überflutet werden. Und wir hören eigentlich anderthalb Jahren nur Gefahr, Gefahr, Gefahr.“

In der Tat wurde die Gefährlichkeit der Situation wiederholt betont. Angesichts der Situation (Letalität, Verdopplungszeit …, s.o.) war das aber auch höchst angemessen.

4:41 – 5:17          „Und wie sieht es aus mit der Sicherheit? Ja, der Staat sagt, wir können Euch sagen, wie Ihr Euch schützen könnt, nämlich mit Masken, mit Abstand, „Geht alleine einkaufen!“, „Bleibt zu Hause!“, „Feiert nicht mehr!“, „Geht nicht mehr Euch besuchen gegenseitig!“, „Isoliert Euch!“, „Bleibt alleine!“, Aber wer hält das denn aus? Wir können doch nicht drauf warten, dass die Corona-Infektionszahlen runter gehen und solange uns einschließen.“

Ohne Zweifel haben unter den sogenannten „Lockdown“-Maßnahmen viele Menschen gelitten, insbesondere junge Menschen. Aber was war vor der Impfstoff-Verfügbarkeit die Alternative? Viele Tote hätten die Menschen nicht glücklicher gemacht. Staaten, die wie die U.S.A. oder Großbritannien phasenweise auf Durchseuchung gesetzt haben, sind dann doch schnell zurückgerudert und hatten immer noch viele Tote zu beklagen. Dass „Lockdowns“ wiederholt und über längere Zeit notwendig waren, liegt wesentlich an den Mitmenschen, die sich nicht an die Regeln gehalten haben. Wenn Kontakte unterbunden sind und das Virus kein neues Opfer findet, ist es normalerweise innerhalb weniger Tage durch unser Immunsystem erledigt.

5:18 – 6:19           „Also, es ist schwierig. Und ich mein, wir wissen, dass wir in den Grundrechten schon viel aufgeben mussten, z.B. jetzt als Apothekerin, ist vielleicht auch noch ein ganz interessanter Punkt für Sie: Letztes Jahr im April hat Herr Spahn, Jens Spahn, eine Gesetzesänderung vorgenommen, dass Arzneimittel, verschreibungspflichtige Arzneimittel, durch ihn, also durch den Staat, verkauft werden dürfen, was bisher, seit, ich weiß nicht, 1642 ein Grundrecht der Apotheke war, Arzneimittel nur, verschreibungspflichtige Arzneimittel, nur in der Apotheke zu verkaufen. Wurde ja schon mal aufgelöst mit dem Versand. Aber dass jetzt der Staat selbst, das heißt, das Gesundheitsamt, das Militär etc. Medikamente abgeben darf seit letztes Jahr im Zuge der Pandemie: Das ist neu. Und das war auch für uns Apotheker total überraschend und erstaunlich. Haben wir uns alle gewundert.“

Dass hier so nebenbei das früher ausschließliche Recht der Apotheken, Medikamente zu verkaufen, als „Grundrecht“ bezeichnet wird, sei nur am Rande erwähnt. Dass der Staat durch zentralen Einkauf versucht hat, die Impfstoffbeschaffung vorwärts zu treiben, hat sich sicher positiv ausgewirkt, weil die produzierenden Firmen damit klare Bedingungen und Ansprechpartner hatten. Ein Vorwurf könnte allenfalls sein, dass der Staat das noch massiver hätte betreiben können und sollen. Dass die Apotheken in einer weltweiten Notsituation ein Privileg eingebüßt haben, mag zwar für Frau Dr. Spohrer schmerzhaft sein, ist aber kein starkes Argument gegen das Handeln des Staates.

6:21 – 7:19          „Wie fühlen Sie sich denn bei den durchgeführten oder empfohlenen oder befohlenen Einschränkungen und Maßnahmen? Es ist ja so: Wir Menschen sind ja von Grund auf frei geboren. Wir sind vernunftbegabt. Wir sind selbstständig denkend und wir können Dinge selbstständig entscheiden. Und wir alle fühlen und wissen, dass diese Maßnahmen mit Masken für die Kinder, für uns, mit Abstand und so … Wir wissen, dass diese Maßnahmen uns seelisch, psychisch nicht guttun. Wir merken das an unseren Kindern. Wir merken das an unseren Familien. Wir merken das in der Familie. Wir wissen, dass der Lockdown oder die Lockdowns uns schaden. Und trotzdem sehen wir uns gezwungen, oder fühlen wir uns gezwungen, alles mitzumachen. Warum eigentlich?“

Die von Frau Dr. Spohrer aufgeworfene Frage ist leicht zu beantworten: Der demokratische Rechtsstaat hat frei gewählte Parlamente und die beschließen die wesentlichen Regelungen. Basierend darauf erlassen gewählte Regierungen Verordnungen etc. Und dann hat das Individuum dem zu folgen, egal ob es dem Individuum passt oder nicht. Den Zustand wo jeder und jede macht, was er oder sie will, mag man „Freiheit“ nennen. Man mag ihn auch „Anarchie“ nennen. Stellt Frau Dr. Spohrer hier bewusst den demokratischen Rechtsstaat in Frage?

7:22 – 8:08          „Liegt es daran, dass wir den Beratern der Regierung glauben? Also Herrn Drosten, Herrn Lauterbach und Herrn Wieler? Wir vertrauen ihnen, dass sie uns die Wahrheit sagen, richtig? Aber wieso hören wir immer nur diese drei? Warum hören wir – gut, Prof. Streek kommt auch noch dazu. Aber warum hören wir nicht andere Meinungen, andere Wissenschaftler? Wir haben so viele gut ausgebildete informierte Mediziner, Immunologen, Virologen, alle die einen Beitrag leisten können. Eine große Gruppe, die sich zusammentun könnte, und die Regierung beraten könnte. Nein, es sind immer nur die drei oder vier. Woran liegt das?“

  1. Die Feststellung ist sachlich falsch. Regierungsberater zu Corona waren im Januar 2021 Prof. Lothar Wieler (Chef des Robert-Koch-Institutes), Prof. Christian Drosten (Chef der Virologie an der Charité in Berlin), Prof. Michael Meyer-Hermann (Abteilungsleiter System-Immunologie am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung, HZI), Prof. Gérard Krause (Leiter der Abteilung Epidemiologie am HZI), Prof. Cornelia Betsch (Psychologieprofessorin an der Universität Erfurt im Bereich Gesundheitskommunikation), Dr. Rolf Apweiler (Direktor des Europäischen Instituts für Bioinformatik, EMBL-EBI), Prof. Melanie Brinkmann (Professorin für Virologie an der TU Braunschweig, Abteilungsleiterin Virale Immunmodulation am HZI), Prof. Kai Nagel (Professor für Verkehrssystemplanung und Verkehrstelematik an der TU Berlin) (https://www.spiegel.de/wissenschaft/medizin/coronavirus-diese-sieben-fachleute-beraten-bundesregierung-und-laenderchefs-a-93abc4f5-cac1-4cbb-bc22-8d3b9c623b28). Es sind also nicht drei Personen, sondern acht, und wie von Frau Dr. Spohrer gefordert ist das Gremium interdisziplinär zusammengesetzt. Prof. Karl Lauterbach kommt in dieser Liste übrigens nicht vor, aber ist natürlich in diversen Talkshows häufiger Gast. Außer diesem Beratungsgremium spielt natürlich die Ständige Impfkommission (STIKO) eine Rolle. Und dazu gibt es die European Medicines Agency EMA mit Sitz in Amsterdam sowie das Paul-Ehrlich-Institut, was speziell für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel zuständig ist. Dass nur die Herren Drosten, Lauterbach und Wieler (und Streek) den Ton angeben, ist so nicht richtig.
  2. Dass es unter den Fachleuten zu den grundlegenden Fragen, wie der Gefährdungseinschätzung durch Covid-19 oder dem Wert von Impfungen; keine größeren Diskussionen gibt, liegt offensichtlich nicht daran, dass nur drei Personen dominieren, sondern daran, dass gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen, die nicht ernsthaft in Frage gestellt werden können. Die Erkenntnisse gelten ganz einfach als gesichert, auch wenn Frau Dr. Spohrer das noch nicht akzeptieren mag.

8:12 – 8:45          „Haben Sie sich schon mal die Frage gestellt? Könnte nicht die Corona-Krise uns von einem anderen Thema ablenken wollen? Wir hören ja nichts anderes mehr in den öffentlich-rechtlichen Medien. Wir wissen gar nicht mehr, was in anderen Ländern passiert. Oder wie sieht es eigentlich aus mit unserer Weltwirtschaft? Was passiert da gerade? Wie sieht es aus mit unseren Finanzen? Nicht, dass ich das behaupten würde, nein, nein. Aber ich stelle es nur mal in den Raum und frage Sie: Wäre das nicht mal eine Richtung, in die man auch denken könnte?“

  1. Dass die öffentlich-rechtlichen Medien nur noch über Corona berichtet hätten und nicht mehr über die Weltwirtschaft oder die Finanzen ist erneut eine völlig unzutreffende Behauptung. Offenbar wird hier von Frau Dr. Spohrer ganz einfach ein Gefühl zum Ausdruck gebracht und als Realität verkauft.
  2. An dieser Stelle im Video geht jetzt die Verschwörungstheorie los: Es wird unterstellt, dass die Corona-Krise uns von einem anderen Thema ablenken will. (Es wird ein „Wille“ unterstellt.) Hierzu gibt es keinerlei Beleg, außer der Gefühlswahrnehmung zu den dominierenden Themen.
  3. Unbewiesene Behauptungen einfach so in den Raum zu stellen und sie dann formal gleich wieder zurückzunehmen („Nicht, dass ich das behaupten würde, nein, nein. Aber ich stelle es nur mal in den Raum …“) ist eine typische rhetorische Figur von Demagogen. Andersdenkende sollen schlecht gemacht werden. Nach dem Motto: „Irgendwas bleibt schon hängen.“ Aber durch die formale Rücknahme verspricht man sich Unangreifbarkeit.

8:47 – 9:50          „Und wir könnten ja uns auch fragen, ganz mutig aus dem Fenster lehnen: Gibt es vielleicht Absichten und Ziele der Regierungen weltweit, die mit Hilfe von Corona umgesetzt werden sollen, wie zum Beispiel die digitale Währung oder die Deindustrialisierung oder das Impfabo, das uns jetzt angekündigt wurde, jedes Jahr ein Piks, oder … Ich weiß nicht, in welche Richtung man noch denken könnte. Nicht, dass ich das behaupte … Um Gottes willen! Aber, es wäre doch ganz interessant, mal darüber nachzudenken, ob es vielleicht wirklich einen Hintergrund hinter dem Vordergrund gibt. Es gibt nen berühmten Politiker, der hat gesagt: „Nichts passiert in der Politik ohne Absicht.“ Also, was liegt da näher auf der Hand?“

Hier sind wir nun endgültig bei einer Verschwörungserzählung. Natürlich gibt Frau Dr. Spohrer keinerlei Beleg. Wie oben wird etwas in den Raum gestellt und sofort wieder formal zurückgenommen („Nicht, dass ich das behaupte …“). Glaubt Frau Dr. Spohrer wirklich, dass sich all die Regierungen auf der Erde bei all den Rivalitäten zwischen den Ländern hier zusammenarbeiten und Corona nur erfunden haben, um die Bevölkerung gemeinsam zu unterdrücken? Glaubt sie wirklich, dass die vielen Tausenden von Wissenschaftlern nur willige Erfüllungsgehilfen der Regierungen sind?

Und was ist das für eine armselige Diktatur, die Unterdrückungsmaßnahmen sofort wieder zurücknimmt, sobald der Inzidenzwert wieder unter 50, 35 oder 10 ist?

Sicher wurde und wird mit all den Corona-Maßnahmen eine Absicht verfolgt – nämlich die, die Bevölkerung vor dem Virus zu schützen. „Absicht“ mit „böser Absicht“ gleichzusetzen, wie Frau Dr. Spohrer es tut, ist böswillig.

9:54 – 11:05       „So, unsere Bundeskanzlerin Frau Merkel hat in einem Beitrag gesagt, dass die Pandemie erst vorbei ist, wenn 7 Milliarden Menschen weltweit geimpft sind. Da hat sie den Spruch von Herrn Bill Gates wiederholt, der Anfang letzten Jahres, ich glaub März oder April, nageln Sie mich nicht fest, gesagt hat: Wir werden jetzt 7 Milliarden Menschen impfen müssen. Ehrlich, wer ist eigentlich Bill Gates?“ Den haben wir nicht gewählt. Haben wir den beauftragt? Haben wir den gewünscht? Haben wir den autorisiert? Ich kann mich an sowas nicht erinnern. Was hat uns eigentlich Bill Gates zu sagen? Gut, Frau Merkel hats wiederholt. Sie hat uns was zu sagen. Und ehrlich gesagt. Es ist noch nicht von der Hand zu weisen, dass der Grippe-Impfstoff, der Corona-Grippeimpfstoff, sich noch in der experimentellen Phase befindet. Er hat nur eine bedingte Zulassung. Und die experimentelle Phase findet an der Weltbevölkerung statt.“

  1. Bei Verschwörungserzählern und speziell bei Impfgegnern ist Bill Gates eine beliebte Hassfigur. Offensichtlich ist er schon einfach durch seinen großen Reichtum verdächtig. Er setzt diesen Reichtum im Rahmen der Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung u.a. dafür ein, weltweit Hunger zu bekämpfen, Zugang zu Bildung zu ermöglichen und Krankheiten u.a. durch Impfprogramme zu bekämpfen. Bill Gates kennt sich also mit dem Impfen aus. Was kann ein reicher Mensch besseres tun, als mit seinem Geld Armut und Krankheiten zu bekämpfen und Bildung zu ermöglichen? Die Polemik gegen Bill Gates hätte sich Frau Dr. Spohrer besser sparen sollen.
  2. Wenn Frau Dr. Spohrer von „Grippe-Impfstoff, … Coronagrippe-Impfstoff“ spricht, dann will sie offensichtlich das SARS-CoV-2 Virus einfach als Grippevirus verharmlosen. Das ist nicht korrekt. Auch die Grippe fordert oft viele Todesopfer. Aber die Letalität von SARS-CoV-2 ist nachgewiesenermaßen deutlich höher, wie Studien aus verschiedenen Ländern zeigen (z.B. Pastor-Barriuso et al. 2020 BMJ 371:m4509, DOI: 10.1136/bmj.m4509; Xie et al. 2020 BMJ 371:m4677, DOI: 10.1136/bmj.m4677; van Asten et al. 2021 Emerging Infectious Diseases 27(2) 411-420, DOI: 10.3201/eid2702.202999).
  3. Mittlerweile wurden nicht nur groß angelegte klinische Studien abgeschlossen, sondern weltweit mehrere Milliarden Menschen gegen SARS-CoV-2 geimpft, einige hundert Millionen davon mit mRNA-Impfstoff. Wer jetzt noch nicht erkennt, dass diese Impfstoffe sicher sind, möchte die Realität ganz offensichtlich nicht wahrnehmen.

11:06 – 11:32    „Ich bedanke mich herzlich fürs Zuhören und möchte Ihnen noch ein Zitat, das Cicero zugeschrieben wurde, mit auf den Weg geben. Und zwar hat er gesagt: „Wer die Sicherheit gegen Freiheit eintauscht, hat nichts Besseres verdient als ein Leben lang Sklave zu sein.“ Das sind harte Worte, aber sehr, sehr weise.“

Vermutlich meinte Frau Dr. Spohrer „Wer die Freiheit gegen die Sicherheit eintauscht …“ Denn sonst wäre das Zitat sinnlos. Vermutlich lohnt es sich, die Korrektheit des Zitates mal zu prüfen.

Schreibe einen Kommentar